Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) der EU: „Zentralisierung zu Gunsten der Hauptstädte ist inakzeptabel“

Es sind zwar noch über zwei Jahre hin, bis die EU ihren neuen siebenjährigen Haushalt spätestens verabschieden muss, aber die Verhandlungen dazu beginnen schon jetzt. Und sie werden heftig ausfallen, soviel steht fest. Als die EU-Kommission kürzlich ihren Entwurf für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) präsentiert hat, musste ich erst einmal schlucken. Zwar sieht der Vorschlag mit fast zwei Billionen Euro für die Jahre 2028 bis 2034 den größten MFR aller Zeiten vor, aber er ist mit einer Strukturreform verbunden, mit der ich mich absolut nicht anfreunden kann.

Um flexibler zu werden will die Kommission nämlich die beiden großen Töpfe für Landwirtschaft und Regionalförderung zusammenlegen und dann Pläne mit den nationalen Regierungen aushandeln, wer wie viel wofür bekommt. Bisher war es immer Sache der Bundesländer, die EU-Gelder in die Kommunen zu leiten. Was ja auch Sinn macht, denn schließlich wissen die Akteure vor Ort am besten, wo die Mittel am sinnvollsten eingesetzt werden können. Doch statt Verhandlungen mit den Regionen soll es künftig nur noch einen Förderplan pro Mitgliedstaat geben. Diese vorgeschlagene Zentralisierung zu Gunsten der Hauptstädte ist in meinen Augen inakzeptabel und verletzt das im Vertrag von Lissabon verankerte Subsidiaritätsprinzip. Deswegen mache ich hinter diese Strukturreform ein großes Fragezeichen, und ich weiß, dass es vielen meiner Kollegen genauso geht.

Am Ende müssen den Plänen das EU-Parlament und auch die Mitgliedstaaten zustimmen. Letztere – allen voran Deutschland – haben bereits ihre Abneigung bekundet. Nicht gegen die Strukturreform, sondern gegen die Höhe des MFR. Ein größerer EU-Haushalt bedeutet nämlich auch höhere nationale Beiträge, und dagegen regt sich Widerstand. Was die Mitgliedstaaten anscheinend aber vergessen haben: Im nächsten siebenjährigen EU-Haushalt müssen nicht nur neue Aufgaben und Prioritäten gestemmt werden (wie zum Beispiel Verteidigung), sondern auch die Schulden für den Corona-Wiederaufbaufonds zurückgezahlt werden – immerhin bis zu 30 Milliarden Euro pro Jahr. Als es damals darum ging, den Fonds aufzulegen, waren sie die ersten, die danach gerufen haben. Jetzt müssen die Verbindlichkeiten auch beglichen werden.

Um den Mitgliedstaaten aus der Patsche zu helfen, hat die EU-Kommission neue Eigenmittel vorgeschlagen. Also neue Abgaben, die in der EU erhoben werden und direkt in den europäischen Haushalt fließen könnten, darunter eine Tabaksteuer, Abgaben auf Elektroschrott oder die neue Zollbearbeitungsgebühr, mit der wir die Paketflut aus Drittstaaten wie China eindämmen wollen. Ich bin überzeugt: Ohne eine starke und diversifizierte Einnahmequelle – einschließlich echter neuer Eigenmittel, die nicht mit den nationalen Haushalten konkurrieren – wird die EU ihre Aufgaben in Zukunft nicht mehr stemmen können. Aber auch hier mauern die Mitgliedstaaten. Die Debatten um neue Eigenmittel für die EU verlaufen schon seit Jahren im Sand.

Sie sehen also, liebe Thüringerinnen und Thüringer, es stehen harte Verhandlungen an. Ich fürchte, diese Sache wird ähnlich enden wie vor einigen Jahren. Da haben das Parlament und die Mitgliedstaaten auch erst eine Einigung zum MFR erzielt, als es bereits spitz auf Knopf stand.