Was wie ein schlechter Scherz klingt, ist Realität für viele Winzerinnen und Winzer in Deutschland und Europa: Sie dürfen künftig kein handelsübliches Natriumhydrogencarbonat – also Backpulver – mehr verwenden, um ihre Reben vor Echten Mehltau zu schützen. Und das, obwohl der Stoff über viele Jahre hinweg als kostengünstiger, ungiftiger und umweltschonender „Grundstoff“ erlaubt war.
Doch jetzt ist Schluss damit. Der Grund: Ein Unternehmen hat sich den Wirkstoff Natriumhydrogencarbonat offiziell als Pflanzenschutzmittel eintragen lassen. Klingt erstmal unspektakulär – hat aber weitreichende Folgen. Denn sobald ein Wirkstoff als Pflanzenschutzmittel registriert ist, darf er nicht mehr in seiner einfachen Grundstoff-Form in der Landwirtschaft verwendet werden. Das heißt konkret: Winzerinnen und Winzer dürfen kein normales Backpulver mehr einsetzen, sondern müssen künftig auf das deutlich teurere, zugelassene Markenprodukt zurückgreifen – obwohl beide exakt denselben Wirkstoff enthalten.
Laut aktuellen Berichten bedeutet das für viele Betriebe: Ein Preisaufschlag von bis zu 600 %. Statt weniger als 2 Euro pro Kilogramm, zahlen sie jetzt rund 12 Euro. Für große Anbauflächen ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil – vor allem für kleinere und ökologisch arbeitende Betriebe, die gezielt auf schonende Alternativen zu klassischen Fungiziden setzen.
Das Problem ist nicht nur ein finanzielles. Die bisherige Lösung mit Backpulver war ein Beispiel dafür, wie Landwirtschaft nachhaltig, pragmatisch und ressourcenschonend funktionieren kann. Durch die jetzige Rechtslage werden Winzer*innen jedoch gezwungen, ein Industrieprodukt zu kaufen, obwohl die einfache, sichere und günstige Variante längst bekannt und bewährt ist. Damit gerät ein umweltfreundlicher Weg ins Abseits – zugunsten wirtschaftlicher Interessen.
Die Regelung basiert auf der sogenannten Grundstoffverordnung der EU. Sobald ein Wirkstoff als Pflanzenschutzmittel eingestuft ist, gelten für ihn strengere Zulassungsvorschriften – auch dann, wenn es sich um einen Alltagsstoff wie Natron handelt. Laut Bundesamt für Verbraucherschutz darf Natriumhydrogencarbonat nun nicht mehr als Grundstoff vermarktet oder verwendet werden – selbst wenn es technisch identisch ist.
Aus diesem Grund habe wir uns direkt mit der EU-Kommission in Verbindung gesetzt, um auf die Missstände und praxisfernen Folgen dieser Regelung aufmerksam zu machen. Ziel ist es, kurzfristig eine Lösung zu finden – etwa durch eine Ausnahmegenehmigung für harmlose Grundstoffe oder eine Überarbeitung der derzeitigen Zulassungspraxis.
Denn was wir brauchen, ist eine EU-Landwirtschaftspolitik mit Augenmaß: bürokratiefrei, wirtschaftlich tragbar und ökologisch sinnvoll. Die aktuelle Entwicklung rund um das Backpulver-Verbot ist das Gegenteil – und deshalb setze ich mich entschieden dafür ein, das zu ändern. Für unsere Winzer, für unsere Umwelt – und für einen fairen, bezahlbaren Weinbau in Thüringen und ganz Europa.