Die niedrige Rückführungsquote ist eines der zentralen Probleme, die es anzupacken gilt

Die EU-Kommission hat ein Konzept für eine Reform des europäischen Asylsystems vorgelegt. Es soll das sogenannte Dublin-System ablösen, das derzeit in der EU gilt. Die wesentlichen Grundzüge des Dublin-Systems sind allerdings auch in dem neuen Konzept enthalten. So soll beispielsweise weiterhin derjenige Staat für das Asylverfahren zuständig sein, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst seinen Fuß gesetzt hat.

Das Konzept beruht auf drei Bausteinen: Zum einen soll die Zusammenarbeit mit Drittstaaten intensiviert werden, um Schleuser auszuschalten, legale Zugangswege zu schaffen und Rücknahmeabkommen wirksamer und schneller umzusetzen. Zum anderen soll es klare Regeln der Solidarität unter den Mitgliedstaaten geben. Neu an dieser Stelle ist, dass keiner der Mitgliedstaaten mehr verpflichtet werden soll, Flüchtlinge aufzunehmen. Stattdessen können sich unwillige Staaten anderweitig beteiligen, indem sie zum Beispiel die Erstankunftsländer bei der Rückführung von Migranten unterstützen. Mit diesem Kompromiss kommt die Kommission Staaten wie Ungarn und Polen entgegen, die sich trotz eines Abkommens bisher hartnäckig weigern, Flüchtlinge aufzunehmen.

Für die Thüringer Europaabgeordnete Marion Walsmann ist die schleppende Rückführung abgelehnter Asylbewerber ein Schlüsselproblem in der Lösung der Migrationsfrage.

Der dritte Baustein – und für mich der wichtigste in dem neuen Konzept – ist ein effizienteres Asylverfahren. Künftig soll ein sogenanntes Screening vor der Einreise durchgeführt werden. Dabei werden unter anderem alle Personen identifiziert, die die Außengrenzen der EU ohne Genehmigung überschreiten oder nach einem Rettungseinsatz ausgeschifft wurden. Innerhalb von fünf Tagen sollen Personaldaten aufgenommen und Fingerabdrücke im europäischen Datensystem Eurodac hinterlegt werden, um zu ermitteln, ob bereits ein Asylantrag in der EU eingereicht wurde. Wer aus einem sicheren Drittstaat oder einem Land mit einer Anerkennungsquote im Asylverfahren von unter 20 Prozent kommt, soll künftig ein beschleunigtes Verfahren in Grenznähe durchlaufen. Innerhalb von zwölf Wochen soll dabei über Asyl oder Rückführung entschieden werden.

Die notorisch niedrige Rückführungsquote ist in meinen Augen eines der zentralen Probleme der aktuellen Migrationspolitik, die es anzupacken gilt. Denn zwar werden jedes Jahr etwa 370000 Asylanträge in der EU abgelehnt. Aber nur ein Drittel der Abgelehnten verlässt tatsächlich die EU. Um diese Quote zu erhöhen, will die EU-Kommission eine Task Force und einen Rückführungskoordinator einsetzen. Frontex soll der operative Arm der EU-Rückkehrpolitik werden. Ein guter Ansatz, wie ich finde, denn damit würde die Verantwortung für Menschen, bei denen objektiv kein Fluchtgrund vorliegt, mehr in Richtung Gesamteuropa verschoben – weg von den einzelnen, teils überforderten Nationalstaaten.

Ob der Entwurf der Kommission der Weisheit letzter Schluss ist, bleibt abzuwarten. Einige osteuropäische Länder haben die Vorschläge bereits klar abgelehnt. Streit ist also weiterhin vorprogrammiert. Aber immerhin sind die Kommission und auch die deutsche Ratspräsidentschaft fest entschlossen, die Reform der europäischen Migrationspolitik jetzt zügig zu einem Abschluss zu bringen. Das mag banal klingen, ist es aber nicht. Denn die Verhandlungen zu einer Neuauflage der Dublin-Regeln stecken seit Jahren fest. Deswegen begrüße ich die Initiative der Kommission sehr. Sie bringt wieder neuen Schwung in die Debatte. Selbst wenn wir am Ende einen Minimalkonsens erreichen, der nur ein Fünkchen mehr in Richtung europäische Solidarität und gemeinsame Verantwortung geht, wäre das allemal besser, als weiterhin auf der Stelle zu treten. Nachjustieren können wir später schließlich immer noch.