Europa zeigt Handlungsfähigkeit

Auf dem viertägigen historischen EU-Gipfel hat der Europäische Rat mit 1,8 Billionen Euro das bisher größte Finanzpaket der EU-Geschichte beschlossen: den Corona-Wiederaufbaufonds mit 750 Milliarden Euro und den Europäischen Finanzrahmen von 2021 bis 2027 mit einem Umfang von über einer Billion Euro, was einer Verdoppelung gleichkommt.

Es war richtig, den ursprünglichen Verteilerschlüssel für den Aufbaufonds zugunsten höherer Kredite zu verschieben. Nun sind 390 Milliarden Euro als Zuschüsse und 360 Milliarden Euro als Darlehen geplant. Das geht in Richtung einer Forderung, die ich schon vor Wochen erhoben habe.

Erstmals nimmt die EU Schulden auf. Sie leiht sich zur Auffüllung des Wiederaufbaufonds Geld auf den internationalen Kapitalmärkten. Dies darf aber kein Freibrief zur Vergemeinschaftung von Schulden in der EU für alle Zukunft sein. Die Coronakrise zwingt die EU aktuell zu diesem Hilfspaket. Sie hat sich mit dem Rats-Beschluss als handlungsfähig, solidarisch und zukunftsfähig erwiesen.

Sitzungssaal des Europäischen Rats in Brüssel.

Im Europaparlament, das noch über das Finanzpaket abstimmen muss, wird es über zwei Punkte noch heftige Debatten geben: erstens, ob die Vergabe von EU-Mitteln an die Bedingung der Rechtsstaatlichkeit im Mitgliedsstaat geknüpft werden muss, was nach den EU-Verträgen selbstverständlich wäre. Der zweite Streitpunkt wird sein, ob der neue EU-Haushalt mit seinem Fokus auf Agrar- und klassische Strukturpolitik nicht zu wenig Mittel für Gesundheit, Migration, Außenpolitik und Zukunftsinnovationen vornimmt.

Der EU-Gipfel ist ein wichtiges Signal der Handlungsfähigkeit Europas. Die Stärkung des Binnenmarkts und die wirtschaftliche Erholung der Mitgliedsstaaten ist Voraussetzung für die Überwindung der Coronakrise.

Der Gipfel hat unter Beweis gestellt: Die EU hat das Potenzial, ihre eigene Zukunft im härter werdenden Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten, China und Russland eigenverantwortlich zu gestalten.