Corona Spezial Nr. 3

EU – koordinierte Hilfen statt Alleingänge

Nach einem anfänglichen Fehlstart liegt die EU nun auf Kurs bei der Bewältigung der Coronapandemie. Kommissionspräsidentin von der Leyen hat sich für die mangelnde Solidarität der EU gegenüber dem von Corona am heftigsten gebeutelten Italien mit den Worten „zu wenig getan, zu spät reagiert“ entschuldigt. Italien fühlte sich – meiner Ansicht nach völlig zu Recht – zu Beginn des Ausbruchs allein gelassen. Ja, es stimmt: Die EU hätte Italien und Spanien  viel früher und viel mehr helfen müssen. Italien, Spanien, aber auch das Elsass und jüngst sogar Teile Belgiens liegen bis heute an der Spitze der Infizierten.

Meine Meinung ist in drei zentralen Punkten eindeutig:

  • Erstens muss die EU aktuell ihre Hilfe auf die am stärksten unter der Coronapandemie leidenden Länder und Regionen in der Europäischen Union konzentrieren. Aber alleine stehen Italien, auch Spanien heute wirklich nicht mehr.

  • Zweitens muss es unter den EU-Mitgliedern koordinierte Hilfen im Geiste der Solidarität und Subsidiarität statt nationale Alleingänge geben. Gemeinsames Handeln muss – gerade in Krisen- und Katastrophenfällen – zur Maxime in Europa werden. Unabgestimmte Grenzschließungen sollte es in der EU auch in Notfällen nicht geben.

  • Drittens: Was mich als Europaabgeordnete eines der neuen Länder in Rage bringt, ist die Tatsache, dass Präsident Orban unter dem Vorwand Corona demokratische Rechte des Parlaments einschränkt. Mit solchen Egoismen könnte Corona in der Tat zum Überlebenstest, zur Bewährungsprobe der EU werden.

Ich werde mich im Europäischen Parlament dafür einsetzen, dass manche EU-Mitgliedsstaaten nicht im Windschatten von Corona unbegrenzte Refinanzierungsmöglichkeiten für ihre seit Jahren angeschlagenen Staatshaushalte erhalten.

Coronabonds nach dem Vorbild der Eurobonds in der Finanzkrise wären über die Hintertür der Pandemie weder mit dem EU-Vertrag noch mit dem deutschen Verfassungs- und Haushaltsrecht vereinbar. Jetzt ist keine Totalrevision des europäischen Haushaltsrechts gefragt, sondern sofortige Hilfe im Rahmen des geltenden Europarechts. Alles andere wäre Instrumentalisierung der Coronakrise für sachfremde Zwecke.

Keine Frage: Allen EU-Staaten – auch Deutschland –  droht nach der Coronakrise eine Rezession und eine mehr oder weniger starke Schuldenkrise, wobei Deutschland dank seiner jahrelangen Haushaltsdisziplin und Wirtschaftskraft eine bessere Ausgangslage hat. Mit einer Vergemeinschaftung von Schulden über Coronabonds droht der EU wieder ein neuer Nord-Süd-Konflikt.

Die EU hat bisher folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Corona-Rettungspaket von 540 Milliarden Euro, ein Beweis für die Handlungsfähigkeit der EU,

  • einen Wiederaufbaufonds,

  • einen EU-Corona-Krisenstab,

  • ein neues Grenzmanagement, das nationale Alleingänge gestoppt hat, freien Warenverkehr und Sonder-LKW-Spuren für überlebenswichtige Güter sowie Erleichterungen für Grenzpendler und Erntehelfer ermöglicht,

  • Entwicklung einer datenschutzkonforme Europa-Corona App,

  • ein Hilfspaket für die Wirtschaft und für Erhalt der Arbeitsplätze,

  • neue Regeln des Europäischen Rettungsschirms ESM. Demnach bietet die EU allen Mitgliedsstaaten nach gleichen Grundsätzen Kredite an. Es gibt nur eine Bedingung: Der Kredit muss in das Gesundheitswesen fließen. Wer ESM-Kredite bezieht, dem kann die EZB sogar mit unbegrenzten Mitteln helfen.

  • Bedauerlich nur, dass ausgerechnet das hilfsbedürftige Italien aus unbegründeter Angst vor einer Troika wie damals in Griechenland auf ihm zustehende 39 Milliarden Euro ESM-Kredite verzichten will. Das ist sicher nicht im Interesse der italienischen Corona-Patienten.

Auch hier vertrete ich eine klare Meinung: EU-Hilfsgelder für besonders gebeutelte Coronaländer wie Italien und Spanien sind nötig! Hilfe für Wirtschaft und Arbeit ja, aber keine Umverteilung und keine Haftungsunion durch die Hintertür.

Zur Bewältigung der Coronapandemie haben bisher alle Mitgliedsländer der EU und die EU insgesamt rund 2,7 Billionen Euro für Gesundheit, Arbeitsplätze und die Wirtschaft aufgebracht. Das kann sich weltweit sehen lassen. Diese gemeinsame Krisenreaktion Europas in Billionenhöhe ist weltweit beispiellos.

Es gibt unzählige Beispiele für gelebte europäische Solidarität in der Coronakrise.  So haben Frankreich mit einer Million Masken und 20.000 Schutzanzügen und Deutschland mit 300 Beatmungsgeräten das schwer getroffene Italien unterstützt. Tschechien hat 10.000 Schutzanzüge für Italien und Spanien bereitgestellt. Deutschland versorgt schwer kranke Coronapatienten aus Italien und Frankreich. Das ist die menschliche, die solidarische Seite Europas.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (re.) agiert künftig als Vorsitzende des COVID-19_Beraterstabs, dem namhafte Wissenschaftler angehören.

Wie geht es weiter?

Am 23. April gibt es erneut einen Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs. Die Erwartungen daran sind hoch. Was die EU jetzt dringend braucht, ist ein durchdekliniertes Konzept zur Bekämpfung von Pandemien, Seuchen und Katastrophen, das unter Leitung eines EU-Krisenstabes die europäische, die nationale, die regionale und kommunale Ebene nach dem Subsidiaritätsprinzip und dem Solidaritätsprinzip angemessen einbezieht. Zentralismus ist auch in Krisenzeiten kein Heilmittel, aber wir benötigen eine engere Abstimmung der nationalen Maßnahmen.

Wichtiges Mittel im Umgang mit dem Virus sind angemessene Schutzausstattung und Testmöglichkeiten. Deshalb werden sich die Mitgliedstaaten im Rahmen der Vereinbarung über die gemeinsame Beschaffung zusammenschließen, um Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte und Coronavirus-Testsets zu kaufen. So stärken sie ihre Stellung auf dem Weltmarkt. Damit die Produktion von Schutzausrüstung insgesamt hochgefahren werden kann, verständigten sich die Kommission und die europäischen Normungsorganisationen am 20. März darauf, allen interessierten Unternehmen die entsprechenden europaweiten Normen ausnahmsweise kostenlos in voller Länge zur Verfügung zu stellen.

Außerdem hat die Kommission einen Beraterstab zu COVID-19 eingesetzt, dem sieben hochangesehene Epidemiologen und Virologen aus der EU angehören. Sie sollen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse EU-Leitlinien für die Bewältigung der Epidemie erarbeiten und die im Bereich des Risikomanagements ergriffenen Maßnahmen koordinieren. Vorsitzende dieses Gremiums sind Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Stella Kyriakides, Kommissionsmitglied für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

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Marion Walsmann - Für Thüringens Zukunft in Europa.
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